IM FOKUS

Impingement-Syndrom – Schulter

Ausgabe
13
Cover der IM FOKUS Ausgabe

Definition

Das Impingement-Syndrom der Schulter bezeichnet schmerzhafte Weichteileinklemmungen im Schulterbereich. Beim Impingement kommt es durch repetitives „Anschlagen“ des Humeruskopfes (engl: „to impinge“) an umgebenden Strukturen zu einer schmerzhaften Reizung und Degeneration von Sehnen der Rotatorenmanschette und Schleimbeuteln. Am häufigsten betroffen sind die Supraspinatus-Sehne und die sie umgebende Bursa subacromialis. Die Erkrankung tritt häufig infolge vermehrter „Überkopf-Aktivitäten“ bei- spielsweise beim Sport oder bei Handwerkern auf. Es können aber auch repetitive Wurf- oder Schlagbewegungen z. B. beim Tennis oder Volleyball verantwortlich sein. Aufgrund von Degenerationsprozessen insbesondere der Rotatoren manschette nimmt die Inzidenz des Impingement-Syndroms im Alter zu.

  • subacromiales Impingement
  • subcoracoidales Impingement
  • posterosuperiores inneres Impingement
  • anterosuperiores inneres Impingement

Das subacromiale Impingement ist die bei Weitem häufigste Form des Impingement-Syndroms. Es steht deshalb in der weiteren Darstellung im Mittelpunkt.

Spezifische Anatomie des subacromialen Impingements

Das Glenohumeralgelenk ist ein kraftschlüssiges Gelenk mit hoher Bewegungsfreiheit. Die Rotatorenmanschette zentriert den relativ großen Humeruskopf in einer relativ kleinen Schulterpfanne. Der Subacromialraum ist kaudal durch den Humeruskopf mit der ihn umgebenden Rotatoren- manschette begrenzt. Die kraniale Begrenzung bildet das osteofibröse Schulterdach, bestehend aus Acromion, Ligamentum coracoacromiale und Processus coracoideus. Innerhalb des Subacromialraums befinden sich die Bursa subacromialis und die Rotatorenmanschette. Beim sub- acromialen Impingement-Syndrom kommt es bei Elevations- bewegungen des Arms zu einem pathologischen Kontakt zwischen Rotatorenmanschette und Schulterdach.

Ätiologie des subacromialen Impingements

Man unterscheidet zwischen primärem und sekundärem subacromialen Impingement. Das primäre subacromiale Impingement entsteht durch strukturelle Besonderheiten mit mechanischer Einengung im subacromialen Raum. Am häufigsten sind Form bzw. Größe des Schulterdaches, ggf. aber auch Pathologien des Schultereckgelenkes für das Impingement verantwortlich (Outlet-Impingement). Als Non-Outlet-Impingement bezeichnet man die Formen des Impingements, bei denen eine Volumenzunahme der sub- acromialen Weichteile, z. B. bei Bursitis subacromialis oder Tendinosis calcarea, bzw. eine in Fehlstellung verheilte Tuberculum-majus-Fraktur ursächlich sind. Das sekundäre subacromiale Impingement entsteht durch funktionelle Störungen der Humeruskopfzentrierung, d. h. durch muskuläre Dysbalancen. Diese führen zu einer pathologischen Veränderung des Rotationszentrums bei der Elevation und somit zur Weichteileinklemmung. Ein chronisches subacromiales Impingement kann zu Defekten der Rotatorenmanschette bis hin zur Rotatoren- manschettenruptur führen. Die Theorie dieser extrinsischen Kompression geht von einer Druckschädigung durch patho- logischen Kontakt des Schulterdaches auf die Supraspinatus- Sehne beim subacromialen Impingement-Syndrom aus. Disponierend für ein Outlet-Impingement können bestimmte knöcherne Konstellationen des Schulterdachs sein, wie etwa ein hakenförmiges Acromion (entsprechend Typ III nach Bigliani). Zusätzlich können Knochensporne am Acromion, Osteophyten am Acromio-Clavikular(AC)-Gelenk oder ein Os acromiale ursächlich sein.

Ein weiterer Risikofaktor ist eine weit nach lateral reichende Überdachung des Humeruskopfes durch das Acromion. Quantifiziert wird diese durch die Berechnung des „critical shoulder angle“ (CSA) oder des Acromio-humeralen Index (AI) nach Müffeler.

In aller Kürze formuliert besagen die beiden Indizes: Je weiter die Überdachung des Humeruskopfes und der sie umgebenden Rotatorenmanschette durch das Acromion ist, desto größer ist das Risiko für ein Impingement-Syndrom und eine nachfolgende Ruptur der Rotatorenmanschette. Der „critical shoulder angle“-Wert (CSA), gemessen in der Anterior-posterior(a.-p.)-Aufnahme, bezieht die Inklination des Glenoids sowie die laterale Überdachung des Acromions ein. Anhand des „critical shoulder angle“-Wertes kann das Risiko bezüglich der Entstehung von Läsionen der Rotatoren- manschette (erhöhtes Risiko bei CSA > 35°) beziehungs- weise der Entwicklung einer Omarthrose (erhöhtes Risiko bei CSA ≤ 35°) abgewogen werden. Der Acromio-humerale Index (AI) nach Müffeler beschreibt die laterale Ausdehnung des Acromions. Er gibt das Ver- hältnis des Abstands zwischen Glenoidebene und dem lateralen Acromion (GA) zum Abstand zwischen der Glenoid- ebene und dem lateralen Humeruskopfende (GH) an (AI = GA/GH). Ein hoher Acromio-humeraler Index ( > 0,7), korres- pondierend mit einer hohen lateralen Acromionausdehnung, ist mit einem signifikant erhöhten Vorkommen an Rupturen der Rotatorenmanschette verbunden.

Diagnostik

Anamnese

Anamnestisch klagt der Patient meist über Schmerzen in der Schulter und im proximalen Oberarm beim seitlichen Heben des Arms über 90°. Besonders ausgeprägt sind die Schmerzen bei abrupten Bewegungen oder unter Belastung, z. B. beim Heben von Gegenständen über Kopfhöhe. Häufig werden aber auch von Belastung unabhängige Schmerzen, insbesondere nächtliche Schmerzen, angegeben.

Klinische Untersuchung

Inspektorisch und palpatorisch ist die Schulter in aller Regel wenig auffällig. Passiv ist die Schulter meist frei beweglich (Flexion 170°, Abduktion 90°, Innenrotation/Außenrotation 70/0/90°). Bei Verdacht auf ein funktionelles Impingement sind insbesondere eventuelle Skapuladyskinesien beziehungs- weise Hyperlaxität oder Instabilität des Glenohumeral- gelenkes zu beurteilen.

Die Funktionstests Painful-arc-, Hawkins- und Jobe-Test sind meist deutlich positiv, d. h. schmerzhaft. Bei diesen Impingement-Tests werden Rotatorenmanschette und Schleimbeutel zwischen Humeruskopf und Acromion komprimiert, was bei vorliegendem Reizzustand oder Schaden schmerzhaft ist. Besteht bei diesen Tests eine Kraftabschwächung, sollte unbedingt nach einer möglichen Ruptur der Rotatorenmanschette geforscht werden.

Zur Untersuchung der Schulter gehört obligat eine orien- tierende Bewegungs- und Funktionsprüfung der Halswirbel- säule nebst orientierender Erhebung des neurologischen Status der oberen Extremitäten (Sensibilitätsprüfung, Muskeleigenreflexe, grobe Kraft), um auszuschließen, dass hier die Ursache des Schulterschmerzes liegt.

Bildgebende Diagnostik

Ultraschall: zur Beurteilung der Bursa subacromialis und der Rotatorenmanschette, Evaluation eines eventuellen Gelenkergusses.

Röntgen: Schulter in drei Ebenen (ap/aro, ap/iro, outletview/ Y-Aufnahme) zur Beurteilung der knöchernen Verhältnisse, insbesondere Acromionform (Hakenacromion nach Bigliani), Arthrose, Tendinosis calcarea, Acromion-Index (AI), kritischer Schulterwinkel (CSA).

MRT: umfassende Informationen zu allen knöchernen und Weichteilstrukturen des Gelenks, insbesondere bei Verdacht auf Ruptur der Rotatorenmanschette und zur Beurteilung des Entzündungszustands.

Therapie

Das Behandlungsziel ist, die Schmerzen zu beseitigen und die Gelenkfunktion wiederherzustellen. Eine deutsche Behandlungsleitlinie für das Impingement-Syndrom liegt nicht vor.

Grundsätzlich gilt für das Impingement-Syndrom, dass die Behandlungschancen für Patienten umso besser sind, je früher mit der Behandlung begonnen wird. Die primäre Therapie sollte konservativ erfolgen. Nach 3- bis 4-monatiger erfolgloser konservativer Therapie sollte die Indikation für eine operative Therapie überprüft werden. Bei richtiger Indikation zeigt die arthroskopische subacromiale Dekompression durch einen erfahrenen Operateur hervor- ragende Ergebnisse.

Konservative Therapiemaßnahmen

Wenn keine höhergradigen, strukturellen Schäden vorliegen, stehen konservative, multimodale Therapiemaßnahmen über 3–4 Monate an erster Stelle. Zunächst werden vor allem Schmerzen, in der Folge die passive und aktive Beweglichkeit und zuletzt die Kraft und Koordination ange- sprochen. Dazu ist ein weites Spektrum an Behandlungs- methoden verfügbar.

Schonung der Schulter

Als wichtigste Maßnahme sollte versucht werden, die Ursache, d. h. schmerzauslösende, belastende Bewegungen der Schulter, zu vermeiden. Das bedeutet eine Pause von die Schulter belastendem Sport und entsprechend auch Meidung von berufsbedingten, die Schulter belastenden Bewegungen.

Medikamentöse Behandlung

Als medikamentöse Basistherapie ist der Einsatz von oralen NSARs empfehlenswert (z. B. Diclofenac 2 x 75 mg/d oder Ibuprofen 3 x 600 mg/d über 2 bis 3 Wochen). Eine Alternative ist eine lokale Infiltrationsbehandlung des Subacromialraums, d. h. Injektionen peritendinös in die Bursa subacromialis: in der Akutphase z. B. Triamcinolon 10 mg und Dexamethason 4 mg auf 10 ml Bupivacain 0,5 % (cave bei Kortikoiden: Abstand zwischen zwei Injektionen mindestens 4 Wochen, insgesamt nicht mehr als max. 3 Wiederholungen!). Bei chronischem Verlauf ggf. 1 Amp. Traumeel auf 10 ml Bupivacain 0,5 % 6-mal im wöchentlichen Abstand. Bezüglich Gelenkinjektionen möchten wir auf die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOC) verweisen.

Physiotherapie und physikalische Maßnahmen

Durch Krankengymnastik sollen muskuläre Dysbalancen ausgeglichen und ein entlastender subacromialer Raum- gewinn im Bereich der Schulter erzielt werden. Anfänglich fließen krankengymnastische Behandlungen mit Dehnungs-, Pendel- und passiven Bewegungsübungen ein. Nach der Schmerzreduktion wird die Skapula mobilisiert, hier können auch Bewegungsmuster der Propriozeptiven Neuromusku- lären Faszilitation (PNF) eingesetzt werden.

Nachfolgend stehen zentrierende Übungen zur Kräftigung der Rotatorenmanschette sowie eine Haltungsschulung zur Aufrichtung der Wirbelsäule und Stabilisierung der Skapula im Vordergrund. Wichtig ist, dass neben der Detonisierung der Muskulatur, die den Humeruskopf aszendiert (M. supra- spinatus, M. deltoideus), insbesondere die Muskulatur, die den Humeruskopf deszendiert (Außenrotatoren: M. infra- spinatus, M. teres minor; Innenrotatoren: M. subscapularis), gekräftigt wird.

Hilfreich und effizient ist es, wenn der Patient hierzu zum selbstständigen Üben angeleitet wird. Durch lokal den Stoff- wechsel aktivierende Maßnahmen wie Querfriktionen, Ultra- schall, Elektro- oder Kryotherapie kann der Regenerations- prozess des Sehnengewebes gefördert werden.

Stoßwellenbehandlung
Die Stoßwellentherapie gilt bei chronisch schmerzhaften Sehnenansatzreizungen als alternative Behandlungs- möglichkeit, insbesondere dann, wenn klassische konservative Therapiemaßnahmen wie Medikamente, Physiotherapie etc. nicht zu einer dauerhaften Beschwerdefreiheit führen.

Durch die Behandlung mit fokussierten Stoßwellen soll im Bereich der Sehnenschädigung eine erhöhte Stoffwechsel- aktivität induziert werden. Intendiert ist, durch verbesserten Stoffwechsel des ansonsten bradytrophen Sehnengewebes die natürliche Regenerationsfähigkeit zu steigern. Ein wissenschaftlich gesicherter Effekt konnte bisher jedoch nicht nachgewiesen werden. Es scheint lediglich ein Effekt im Rahmen der Auflösung von Kalkdepots zu bestehen. In aller Regel erfolgen 3 Behandlungen im Abstand einer Woche, wobei jeweils 2.000–2.500 Impulse mit einer Frequenz von ca. 7 Hertz appliziert werden.

Akupunktur
In einer akuten, stark schmerzhaften Phase bei subacro- mialem Impingement kann ggf. mittels Akupunktur versucht werden, die Schmerzhaftigkeit zu reduzieren und den erhöhten Tonus der verspannten Hals-Nacken-Muskulatur zu lösen.

Kinesio-Taping
Mittels Kinesio-Taping kann in einer Akutphase die muskuläre Steuerung der Schulter verändert werden, wodurch Schmerzen und Verspannungszustände reduziert werden könne

Operative Therapie

Persistieren die Schulterbeschwerden trotz konservativer Therapie über 3 bis 4 Monate oder kommt es zu rezidivie- renden, belastungsabhängigen Beschwerden, sollten operative Maßnahmen erwogen werden. Hierdurch kann das Impingement-Syndrom kausal therapiert und einem chronischen Sehnenschaden, ggf. auch einer drohenden Ruptur der Rotatorenmanschette, vorgebeugt werden.

Einen solchen operativen Eingriff bezeichnet man als „subacromiale Dekompression“. Er sollte heute nur noch arthroskopisch durchgeführt werden, da eine offene Operation zu viele Kollateralschäden hervorruft, risikoreicher ist und den postoperativen Heilungsverlauf deutlich verzögert. Eine arthroskopische subacromiale Dekompression kann stationär (1 bis 2 Nächte) oder ggf. auch ambulant erfolgen

Operationsverfahren

Arthroskopische Subacromiale Dekompression (ASD) In Allgemeinanästhesie wird über zwei kleine Portale zunächst die verdickte, chronisch entzündete Bursa sub- acromialis reseziert und dann der eingeengte subacromiale Raum erweitert, indem der anteriore bzw. laterale Rand des Acromions abgetragen wird. Befundabhängig wird zusätz- lich das verdickte Lig. coracoacromiale abgelöst und ggf. partiell reseziert. Bei einer Einengung des Subacromial- raums durch ein arthrotisch verdicktes Acromio-Clavicular- Gelenk (ACG) wird dieses zusätzlich bearbeitet.

Bei einer chronisch degenerierten Rotatorenmanschette erfolgt ggf. zusätzlich ein „needeling“ der Sehnen. Durch diese iatrogene Mikrotraumatisierung werden Regenerations- prozesse an der Sehne induziert. Bei oberflächlichen Sehnenschäden werden die Sehnen geglättet. Finden sich Verkalkungsherde in der Rotatorenmanschette (Tendinosis calcarea), wird die Verkalkung zusätzlich entfernt.

Nachbehandlung

Die Schmerzhaftigkeit nach arthroskopischer subacromialer Dekompression ist gering und somit erfolgt die Mobilisierung des Patienten sehr früh, d. h. unmittelbar post operationem. Eine Ruhigstellung, wie sie früher nach einer offenen OP not- wendig war, ist nicht erforderlich. Begleitend sollten physio- therapeutische Behandlungen erfolgen. Durch Kranken- gymnastik soll die Schulter anfangs passiv mobilisiert werden und in der zweiten Phase durch Koordinations-, Propriozeptions- und Krafttraining an die volle sportliche Belastungsfähigkeit wieder herangeführt werden. Die Arbeitsfähigkeit für nicht die Schulter belastende Berufe wird in aller Regel nach 1 bis 2 Wochen erreicht. Volle Sportfähigkeit besteht in Abhängigkeit des intra-operativen Befundes meist nach 6 bis 10 Wochen.

Komplikationen

Bei richtiger Indikation zeigt die arthroskopische sub- acromiale Dekompression durch einen erfahrenen Operateur hervorragende Ergebnisse. Seltene Komplikationen sind die Schultersteife (adhäsive Kapsulitis) sowie Infektionen oder Wundheilungsstörungen mit einer Inzidenz < 0,5 %.

Es sind eher Fehldiagnosen, falsche Indikationen oder auch technische Fehler, die als Ursachen für persistierende Beschwerden nach subacromialer Dekompression gelten und somit allesamt Risikofaktoren, die bei Behandlung in spezialisierten Zentren vermieden werden können.

Differenzialdiagnosen von Schulterschmerzen

Schulterschmerz ist nur ein Symptom, deshalb ist es wichtig, neben dem sicherlich hierfür am häufigsten verantwortlichen Impingement-Syndrom an andere, seltenere Ursachen für Schulterschmerzen zu denken und ggf. danach zu forschen. Im internistischen Bereich kommen differenzial-diagnostisch insbesondere koronare Herzerkrankungen, Lebererkran- kungen, Bronchial-Ca, Lymphome oder sonstige Neoplasmen in Betracht. Andere Ursachen für Schulterschmerzen können zudem ein cervicaler Bandscheibenprolaps, Neuritiden oder funktionelle Störungen, z. B. Verspannungszustände der Hals-Nacken-Region, sein.

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